Internationale Studenten – Bessere Worte

Eine Replik zum Gastbeitrag mit der Überschrift „OHNE WORTE“. Er wurde von Kasseler Hochschullehrern veröffentlicht: http://www.zeit.de/2017/13/internationale-studenten-deutschkenntnisse-universitaet

Der Beitrag passt zu den eigenen Erfahrungen des Autors. Wer als älterer Deutscher eigene Kinder mit Auslandserfahrungen hat und jetzt mit mehreren Studenten aus China in einer WG lebt, kann sich in die Schwierigkeiten internationaler Studenten hineinversetzen und denkt über Fördermöglichkeiten nach.
Viele internationale Studenten haben zu wenige Kontakte zu Einheimischen, um die Sprache des Gastlandes täglich zu praktizieren. Das liegt nicht nur an deren Mentalität.

Einheimische Studenten haben, abgesehen von Liebesbeziehungen, nur selten Interesse an ihren internationalen Kommilitonen. Wer Studenten mit überladenen und verschulten Studienplänen vollpackt und permanent Leistungsnachweise einfordert, treibt ihnen aus, sich um andere Dinge wie z.B. interkulturelle Kontakte zu bemühen. Warum sollten sich unter Termindruck stehende Studenten auch vorbildlicher verhalten als ihre gestressten Mitbürger, wenn es um die Eingliederung von Migranten geht?
Interkulturelle Kontakte benötigen Zeit die nur noch wenige haben.

Intensivkurse ersetzen die Sprachpraxis im interkulturellen Kontext

Hochschulleitungen können höhere Sprachniveaus definieren und ausländische Studenten werden nicht protestieren. Man geht dort hin, wo die Chancen hoch sind. Nach Ansicht der chinesischen Mitbewohner ist Kassel eine gute Wahl mit überdurchschnittlichen Erfolgsquoten.
Chinesen kommen mit Vokabel- und Grammatik-Paukerei bestens zurecht. Sie sind diszipliniert und fleißig und haben nach vergleichsweise wenigen Fehlversuchen den notwendigen Sprachnachweis abgehakt. Ihnen ist bewusst, dass sie nicht die in zwanzig Jahren gewachsene Sprachpraxis ihrer Kommilitonen aus dem Gastland kompensieren können.

Buddies und Mentoren

Die Kasseler Uni ist eine der wenigen, die mit einem Buddy-Programm wirbt. Das ist besser als nichts. Aber auf kostenlose studentische Helfer mit altruistischen Neigungen zu hoffen, reicht nicht, um systematisch die wissenschaftlichen und fachlichen Gepflogenheiten sowie den kulturellen Kontext des Gastlandes kennen zulernen.
Gut betuchte Eltern ausländischer Studenten könnten einen Mentor oder einen Coach finanzieren, so wie deutsche Eltern einen Betreuer von der Schülerhilfe bezahlen, um die Abiturprüfung der Kinder zu ermöglichen.

WIN-WIN Situationen organisieren

Interkulturelle Kontakte müssen als WIN-WIN-Situation wahrgenommen werden.
Ein paar Credits (ECTS) für die Buddies reichen als Anerkennung nicht aus, um verlässliche Sprachförderung mit wissenschaftlichen und fachlichen Gepflogenheiten sowie den kulturellen Kontext zu gewährleisten.
Um Verlässlichkeit in fachlichen Dingen zu haben, könnte man Akademiker in Erwägung ziehen, die bald in den Ruhestand gehen, aber weiterhin hohes Interesse an wissenschaftlichen Themen und Diskussionen haben. Ein Honorar in der Höhe, wie es Dozenten an den VHS erhalten, wäre als Motivation angemessen, um auch Qualität einfordern zu können.

Persönliche Beratung durch Videokonferenzen ergänzen

Dass Mentoren und ausländische Studenten in einer WG zusammenwohnen, fachlich zusammenpassen und sich mal schnell zur Besprechung der abzugebenden Hausarbeit in der Küche oder auf der Terrasse einfinden, dürfte eine Ausnahme sein.
Interkulturelles Mentoring muss nicht immer im gleichen Raum stattfinden. Wenn man sich persönlich kennt, kann man virtuelle Räume anlegen. Dazu eignen sich die an den Unis üblichen Lernplattformen. Dort plant man auch regelmäßige Besprechungen in Form von Videokonferenzen. So kann man das Gespräch dank Internet auch über große Distanzen führen.
Ein- bis zweimal wöchentlich könnte ein Student aus Kassel mit seinem Mentor aus München oder Berlin sprechen und ihm dabei beispielsweise seinen PowerPoint-Vortrag zur Begutachtung per Videokonferenz präsentieren.

WIN-WIN-WIN ist auch eine Option

Der Gewinn für internationale Studenten in der geschilderten WIN-WIN-Situation ist die Gesprächspraxis mit einem muttersprachlichen Profi und die Teilhabe an dessen Erfahrung. Der Gewinn für den Mentor ist neben einem Zusatzeinkommen am Ende seiner akademischen Beschäftigung eine ungewohnte und interessante Aufgabe, die sein Gehirn im Training hält. Der Erfolg des Fußballtrainers Heynckes beweist, dass man auch mit über 70 ein junges Team zu Höchstleistung bringen kann.
Wenn es für solche Mentoring-Projekte Sponsoren aus der Wirtschaft gibt, kann sich sogar eine dreifache WIN-Situation ergeben.
Nach dem Berufseinstieg werden die ehemaligen internationalen Studenten sich ihrer Sponsoren erinnern. Oft gehören sie nach dem Studium zur Elite in ihren Herkunftsländern. Möglicherweise bewerben sie sich gleich bei den Firmen, die für sie Drittmittel bereitstellten. Sponsoren, die Kontakte zu den geförderten Mentees unterhalten, könnten Praktikumsplätze oder Ferienjobs anbieten, um sich den Zugriff auf passende internationale Mitarbeiter zu sichern.